Predigt Oculi 2020/Lukas 9, 57-62

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Vom Ernst der Nachfolge
57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Liebe Gemeinde,

das ist ja ein starkes Stück! So haben es Konfirmanden gesagt, als wir über diesen Text gesprochen haben. Ein starkes Stück! Vielleicht denken sie auch: „Das hätten wir von Jesus nicht erwartet, dass er so sein kann. So illusionslos, so kompromisslos, so rücksichtslos.“

Aber so ist er und so ruft er Menschen in die Nachfolge. Das griechische Wort dafür heißt akoloutheo und bedeutet schlicht hinterhergehen. Gemeint ist mehr als ein Nachlaufen, es geht um ein freiwilliges Unterordnen des Schülers unter den Lehrer, dem Rabbi. Der Schüler folgt dem Rabbi, will von ihm lernen und zu dessen Anhängern gehören.

Während die jüdischen Rabbiner dazu aufriefen, der Thora zu folgen, ruft Jesus in seine Nachfolge, ruft dazu auf, die von ihm gelebte Gemeinschaft mit Gott nachzumachen und von ihm zu lernen. Bis heute ist Nachfolge der Standartbegriff für verbindliches Christsein. Christen sind Menschen die Christus nachfolgen und nachahmen wollen, was er vorgelebt hat. Bis heute gilt der Anspruch Jesu einer illusionslosen, kompromisslosen und rücksichtslosen Nachfolge.

1. Illusionslos

Da kommt also einer zu Jesus und sagt: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Toll, wenn das jemand sagt. Das hat doch Jesus gewollt, davon träumt jeder, der mit Menschen zu tun hat: Eltern, Lehrer, Lehrmeister, Trainer, Vereinsvorsitzende, Pfarrer.

Sie träumen von Menschen, die sagen: Hier bin ich, ich bin bereit, ich mache mit. Nicht aus Langeweile bin ich hier, nicht aus Zwang, weil mich die Leute mit ihrer Überredungskunst weich geklopft haben. Nein, einfach so, freiwillig.

Vermutlich hat der Mann schon eine Weile Jesus begleitet, ist mit
ihm mitgelaufen, hat gesehen, wie er Kranke gesund gemacht hat, hat gehört, wie er vom Reich Gottes gepredigt hat, hat die Einladung gehört: Was euer Leben kaputt macht, das bringt zu mir. Wer lebenshungrig ist, dem will ich den Lebenshunger stillen. Bei mir gibt es Leben pur und es gibt genug davon.

Davon hat der Mann gehört. Nun will er nicht nur mitlaufen, sondern verbindlich nachmachen, zum Kreis der Jesusschüler will er gehören. Darüber kann sich Jesus doch nur freuen und sagen: Gute Entscheidung, solche Leute wie dich brauche ich. Mit dir baue ich das Reich Gottes.

Ob Jesus sich freut, steht nicht im Text, auf alle Fälle dämpft er die Euphorie: Langsam, mein Freund. Weißt du, worauf du dich da einlässt. Mach dir keine Illusionen. Wörtlich sagt er: „Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel haben ihre Nester. Ich aber habe keinen Platz, wo ich mich hinlegen und ausruhen kann.“ In Klammern weitergedacht heißt das: Wenn du mir nachfolgst, wird es dir ähnlich ergehen. Dort, wo ich hingehe, steht kein Sofa, sondern das Kreuz. Das muss ich tragen und daran werde ich sterben. Willst du wirklich diesen Weg mitgehen? Hast du dir das gut überlegt. Ein Nachfolger Jesu - illusionslos muss er sein.

Jesus hat nichts gegen Begeisterung, im Gegenteil. Dass ich von ihm ergriffen bin, er mich motiviert und beeindruckt, passiert hoffentlich. Aber zum Glauben gehört es, neben Euphorie und Begeisterung auch nüchtern den Tatsachen ins Auge blicken, die Konsequenzen überschlagen, die Folgen der Nachfolge bedenken.

Für den Mann damals hieß das: du wirst dein Zuhause verlieren, den Ort, an dem du sicher und geborgen bist. Entbehrung wird das bringen. Und Jesus geht nach Jerusalem. Dort wartet der Tod auf ihn. Sein Weg ist ein Leidensweg und das Kreuz ist sein Zeichen.

Hier wird einem die Illusion genommen, als garantiere der Glaube ein Leben in Ruhe und Sicherheit, sei eine Art Blankoscheck für Erfolg und Anerkennung. Manche Leute erwarten das vom Glauben. Glauben ist wichtig, damit es mir gut geht, und Jesus ist dafür da, mich zu bewahren und zu segnen.

Da hält Jesus dagegen: Wagnis, Entbehrung und Leid kennzeichnen meinen Weg. Für mich gibt es hier keinen Ort, der mir letzte Sicherheit gibt. Bedenke die Konsequenzen, überschlage die Folgen! Willst du das wirklich, dich auf mich einlassen?

In Deutschland scheint es einfach zu sein, sich zu Jesus zu bekennen. In anderen Ländern können die Konsequenzen richtig bedrohlich sein. Dennoch glauben bei uns nicht mehr Leute, im Gegenteil. Die Herausforderung ist eine andere. Nachfolge hat für uns andere Konsequenzen. Wir müssen für uns klären, welche Prioritäten wir im Leben setzen, wofür setze ich meine Zeit, mein Geld, meine Begabungen ein. Welchen ethischen Werten folge ich – wie gehe ich als Vater mit meinen Kinder um, als Ehemann mit meiner Frau, als Chef mit meinen Angestellten, als Einheimischer mit denen, die als Fremde zu uns gekommen sind oder die in Griechenland an der Grenze stehen. Lebe ich in diesen Dingen so, dass ich Jesu auf der Spur bin?

Und schon wird Nachfolge zur Herausforderung, ist Glauben alles andere als ein Spaziergang und eine Einstellung im Sinne von “Ist doch ganz nett. Hier mache ich mal mit“, erweist sich als zu kurz gedacht. Deshalb finde ich es gut, wie ehrlich Jesus mit diesem Mann umgeht und wie illusionslos er von dem spricht, was Nachfolge bedeutet: Du lässt dich auf meinen Weg ein mit aller Konsequenz. Willst du das?

2. Kompromisslos

Einen zweiten fordert Jesus in dieser Geschichte selbst auf: Folge mir nach. Er ist dazu bereit. Ja! Doch diesem Ja folgt ein Aber. Ja, aber. Jetzt noch nicht. Ich muss erst noch. Der Grund, den er vorbringt, ist mehr als verständlich: Lass mich zuvor hingehen und meinen Vater begraben.

Es ist unklar, ob der Vater schon gestorben ist und bestattet werden soll oder ob der Mann solange warten möchte, bis der Vater - irgendwann einmal - gestorben ist. Letzteres hieße noch länger zu warten - aus Respekt vor den Eltern.

Beides, der Respekt vor den alten Eltern und das Bestatten der Toten galt im Judentum als heilige Pflicht, die unbedingt zu erfüllen war, ein Akt der Ehrerbietung und der Gottesfurcht. Schließlich hat Gott im 4. Gebot die Achtung den Eltern gegenüber geboten. Was Jesus darauf antwortet, wirkt schockierend: Lass die Toten ihre Toten begraben. Du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes. Kompromisslos lehnt Jesus das „Aber“ nach dem „Ja“ ab. Jesu Antwort ist nicht auf der seelsorgerlichen Ebenen zu verstehen. Wir wissen von ihm, dass die Trauer um Verstorbene ihn bewegt hat, dass er Menschen in ihrem Schmerz ernst genommen hat. Von den Geboten wiederum hat er keines zurückgenommen. Dennoch erschreckt diese Antwort, diese kompromisslose Ablehnung des „Ja, aber“, wenn es um das Reich Gottes geht.

Es passiert mir als Pfarrer sehr häufig, dass mir Menschen sagen: An Gott glauben, ist mir wichtig. Ich müsste mich mehr darum kümmern. Ich will das auch, aber jetzt steht erst einmal mein berufliches Weiterkommen an. Jetzt muss ich erst mal mein Haus bauen und dann das Geld abzahlen und dann und dann und dann. Irgendwann ist dann auch mal Gott mit dran.

Jetzt ist Gott dran, sagt Jesus. Jetzt geht es darum, zum Reich Gottes zu finden. Nichts ist wichtiger als das. In dieser kompromisslosen Art zeigt Jesus, was er anbietet: das Reich Gottes. Gerade im gegenüber zum Tod zeigt sich die Tragweite seiner Botschaft. Im Reich Gottes hat der Tod seinen Einfluss verloren. Dort trägt das Leben den Sieg davon. Endgültig ist das mit Jesu Auferstehung besiegelt worden.

Lass die Toten ihre Toten begraben. Du verkündige das Reich Gottes. Verkündige den Sieg Gottes über allem, was der Tod beherrschen will und zunichte macht. Entziehe dich seinem Machtanspruch, gib dich nicht dem Vergänglichen hin, du verlierst darüber den Zugang zum wirklichen Leben, macht Jesus uns klar.

Kompromisslos ist Jesus, ohne Wenn und Aber. Welches Aber auch immer die Entscheidung zur Nachfolge aufschiebt, es ist ein Aber, das uns von dem Leben abhält, das er uns bringt. Und jedes dieser Aber ist gefährlich. Lebensgefährlich.

3. Rücksichtslos

Illusionslos, kompromisslos und zum dritten rücksichtslos muss Nachfolge sein; rücksichtslos im Sinne von nicht rückwärtsgewandt eingestellt sein. Ein Dritter kommt und spricht zu Jesus: ich will dir folgen, aber erlaube mir dass ich erst noch von der Familie Abschied nehme.

Warum nicht? In anderen Fällen hat Jesu selbst Abschied genommen, etwa am Gründonnerstag von seinen Jüngern. Wieder aber lehnt er schroff ab: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht tauglich für das Reich Gottes.

Wer von den älteren noch die Hand an den Pflug gelegt hat, wird wissen, was Jesus damit gemeint hat. Damit die Furche gerade wurde, hielt man den Pflug stur auf ein Ziel am Horizont zu. Den Jüngeren unter uns, denen der Pflug nicht so vertraut ist, würde Jesus wohl sagen: Wenn du dich aufs Moped setzt um loszufahren, musst du nach vorn schauen. Wer zurückschaut ist nicht tauglich für den Straßenverkehr. Diese Art von „Rücksicht“ ist gefährlich.

Auch im Glauben ist das nicht anders. Wer glaubt, lebt auf das zu, was Gott verheißen hat, er sieht auf das, was bei Gott Zukunft hat. Nämlich sein Reich und die Grundsätze, die in diesem Reich gelten. Wer so lebt, lebt als Nachfolger, als Nachahmer Jesu.

Im Reich Gottes gilt: du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst, sogar den Feind sollst du lieben. Diese Art von Rücksicht auf den Nächsten ist angebracht, weil sie dem Reich Gottes entspricht. Andere Rücksichtsmaßnahmen dagegen sind unangemessen.

Jesus weiß, was passiert, wenn der Mann nach Hause kommt und der Familie erklärt, dass er Jesus folgen will. Der Vater wird sagen: Kommt gar nicht in Frage, du wirst hier gebraucht. Die Mutter wird in Tränen ausbrechen und sagen: Was soll aus dir werden, Junge. Bleib hier, bei mir hast du es am besten. Er wird schwer loskommen.

Wer hat nicht schon im Glauben erste Schritte gehen wollen und ist nicht weitergekommen, weil die Rücksicht auf andere ihn abgehalten hat. Was sollen die von mir denken, was werden die dazu sagen? Deshalb: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht tauglich für das Reich Gottes. Lebe zukunftsorientiert, ausgerichtet auf das, was Christus bringt und seiner Sache dient, frei den Ansprüchen gegenüber, die andere an uns richten, frei den Dingen gegenüber, die uns sonst so wichtig erscheinen.

Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie ich zu den Dingen und Gegebenheiten im Leben stehe, zeigt sich, welche Ängste mich treiben, welche Sorgen mich plagen, wie ich eingestellt bin, worauf ich schaue. Gerade in Krisenzeiten kann der Glaube helfen, den Blick für das Wesentliche freizubekommen. Jesus lädt uns ein, weiterzublicken, sich nicht an das zu halten, was vergeht oder sich als rückwärtsgewandt erweist. Er lädt uns ein, seiner Zukunft zu vertrauen und ihr gemäß zu leben.

Illusionslos, kompromisslos und rücksichtslos, so ruft Jesus in die Nachfolge. Zugegeben, das klingt nicht sehr einladend, eher abschreckend. Das ist ein starkes Stück – unbestritten. Muss man das so verbissen sehen? Gibt es nicht eine Ligth-Version in Sachen Nachfolge?

Jesus fordert uns, aber er überfordert keinen. Er traut uns nur das zu, was wir zu tragen in der Lage sind. Und er will selbst der sein, der uns trägt. Wir können uns auf ihn verlassen und er will ausfüllen, was wir für ihn aufgeben. Das Reich Gottes, sagt er an anderer Stelle, ist der Schatz, für den sich der Einsatz lohn, aber ohne Einsatz ist dieser Schatz nicht zu haben.

Amen

Verfasser Predigttext: Pfarrer Förster

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