Predigt Miserikordias Domini 26.4.2020/ 1. Petrus 2,21-25
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Gottesdienst Quasimodogeniti - Ev.-Luth. Christuskirchgemeinde ChemnitzPredigt Miserikordias Domini 26.4.2020/ 1. Petrus 2,21-25
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Gebet
Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Liebe Gemeinde,
der Hirtensonntag! Über Jahrhunderte hinweg war das Bild vom guten Hirten prägend, um damit das Verhältnis zwischen Christus und der Gemeinde zu beschreiben. Die ältesten bildlichen Darstellungen von Jesus zeigen ihn als den guten Hirten. Diese Vorstellung drückt Verbundenheit aus, Nähe, Geborgenheit.
Was über Generationen hinweg geprägt hat, ist irgendwann einmal unter Verdacht geraten. Der Vergleich mit Hirte und Herde wurde als unangenehm empfunden. Wer will schon gern Schaf sein? Schafe sind Herdentiere, sie gelten als dumm, folgsam und brav. Das widerstrebt Menschen, die sich als autonom und individuell verstehen.
In gewisser Weise habe ich die Entfremdung von diesem schönen, biblischen Bild selbst durchlebt. Mit Inbrunst haben wir im Kindergottesdienst gesungen: Weil ich Jesu Schäflein bin, freu ich mich doch immerhin, über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebt und der mich kennt und bei meinem Namen nennt. Dann gab es eine Phase in meinem Leben, da wollte ich
kein Schäflein mehr sein. Inzwischen kann ich diesem Bild wieder viel abgewinnen, entdecke immer wieder, was mit dieser Metapher von mir oder auch über Christus ausgesagt wird. Um den guten Hirten geht es also im Predigttext. Seine Wesensart wird beschrieben. Mit wem bekommen wir es zu tun, wenn wir es mit Jesus zu tun bekommen?
Das erste: Jesus, der vorbildliche Hirte.
Christus hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen. Nachfolge ist der Standartbegriff im neuen Testament für gelebtes Christsein. Die Praxis, wie Schüler ihrem Rabbi, ihrem Lehrer, gefolgt sind, steht dahinter, so wie Jesus es mit seinen Jüngern praktiziert hat.
Nachfolgen passt auch zur Rede von Hirte und Herde. Die Schafe folgen ihrem Hirten, gehen in seiner Spur, lassen sich von ihm leiten. Jesus der vorbildliche Hirte. Für Petrus ist Jesu Verzicht auf Gewalt und Vergeltung vorbildlich. Als er geschmäht wurde, hat er die Schmähung nicht erwidert, er drohte nicht, als er bedroht wurde.
Unbedingter Verzicht auf Gewalt und Vergeltung, davon hat Jesus gepredigt. In der Bergpredigt lesen wir davon. Das hat er gelebt bis zum Tod. Stecke dein Schwert in die Scheide, sagt er zu Petrus im Garten Gethsemane bei seiner Gefangennahme. Jesus in dieser Gewaltlosigkeit folgen zu wollen, ist eine große Aufgabe.
Die Kirche hat sich damit in ihrer langen Geschichte schwer getan, vor allem je mehr sie sich in staatliche Machtstrukturen und politische Zwänge einbinden ließ. Mit der Bergpredigt lässt sich keine Politik machen, hat Helmut Schmidt erklärt. Dass dem Bösen mit dem Schwert Einhalt zu gebieten ist, steht sogar im Augsburger Bekenntnis. Dort wird diese Gewalt jedoch dem Staat zugesprochen, dem weltlichen Regiment, der das Leben schützen soll.
Es hat sein Gutes, wenn wir nicht zu schnell sagen: Gewaltlosigkeit geht nicht. Jesus darin folgen zu wollen, ist utopisch. Seine Vorgabe ist ein hoher Anspruch – unbestritten. Es ist eine Art Stachel im Fleisch, der mich anhält, mein Verhalten zu prüfen, mich ernsthaft zu fragen: Wie kann ich in der je konkreten Situation Jesu Fußstapfen folgen, statt vorschnell abzuwinken und zu sagen: geht nicht.
Gewaltverzicht bekommt in unserem digitalen und medialen Zeitalter eine ganz neue Dimension. Wir begegnen Formen von Gewalt, sie wirken versteckt, subtil, dämonisch möchte man sagen. Damit werden Menschen beleidigt, unter Druck gesetzt, bedroht oder manipuliert.
Die technischen Möglichkeiten erlauben es den Tätern, anonym zu bleiben. Dort mache ich nicht mit, dem widerspreche ich, wenn ich solches erlebe. Das wäre die Konsequenz, wenn ich den Fußstapfen Jesu folgen will. Er hatte zwar kein Internet, aber in der Art, wie er mit Menschen umgegangen ist, auf Gewalt und Vergeltung verzichtet hat, soll er mir ein Vorbild sein. Jesus, der vorbildliche Hirte.
Über diese Vorbildwirkung hinaus beschreibt Petrus das Hirtenamt Jesu weiter.
Zum zweiten: Jesus, der Hirte, der sich für uns hingegeben hat.
Er hat unsere Sünde hinaufgetragen an das Holz, sie mitgenommen in den Tod. Damit ist die Sünde für uns gestorben und wir können der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden sind wir heil geworden.
Der Predigttext enthält deutliche Anklänge an den großen Prophetentext aus Jesaja 53, der vom Knecht Gottes spricht, der stellvertretend die Schuld für das Volk erträgt, sich aufopfert und Sühne schafft. Er nimmt das Unheil auf sich, um es in seiner destruktiven, zerstörerischen Dynamik außer Kraft zu setzen. Durch seine Wunden werden unsere Wunden heil. Weil er das Urteil ertragen hat, werden wir nicht verurteilt. Er nimmt mit in den Tod, was uns zum Tod treibt, damit wir davon erlöst werden.
Der Drang zur Gewalt und zur Vergeltung, steckt in uns. Wir wollen damit wieder zurechtbringen was uns an Unrecht zugefügt worden ist.
Die Verletzungen, die mir zugefügt worden sind, treiben mich dazu, mich zu schützen und abzuschotten. Sie lassen mich abstumpfen, wenn andere verletzt werden, vielleicht sogar durch mich.
Die Defizite an Anerkennung, die Verluste, unter denen ich leide, will ich ausgleichen. Ich will mir zurückholen, was mir genommen oder verwehrt wurde. Damit wird eine Spirale des Unheils in Gang gehalten, eine Spirale von Schuld und Verstrickung. Darin wirkt sich das aus, was die Bibel Sünde nennt.
Dieses Unwesen der Sünde, so erklärt Petrus, nimmt der gute Hirte Jesus Christus auf sich, obwohl er selbst diesem Unheil nicht verfallen ist, er in diese Sünde nicht verstrickt ist. Er erträgt diese destruktive Dynamik und erleidet deren Folge, nämlich den Tod. Er stirbt für unsere Sünde und stirbt unseren Tod, damit wir nun für die Gerechtigkeit leben können, damit wir so leben können, wie es Gott recht ist.
Das größte Tauschgeschäft in der Geschichte der Menschheit wird hier vollzogen, wie Martin Luther es genannt hat. Jesus übernimmt, was wir Menschen verschuldet und verdient haben, damit wir zu dem finden, was er bewirkt hat: Gerechtigkeit und ewiges Leben.
Damit bin ich in die Lage versetzt worden, anders zu werden. „Ich bin eben so“, lautet eine oft zu hörende Entschuldigung, wenn wir diesen destruktiven Verhaltensmustern folgen. Dann verweisen wir auf das, was uns angetan wurde: meine Erziehung, meine schlimme Kindheit, die Art, wie mit mir umgesprungen wurde. Ich bin das Opfer und die anderen sind schuld.
Mag sein, dass ich so bin. Dass ich so bleibe, muss nicht sein. Erlösung ist möglich. Petrus sagt: Jesus stellte es dem anheim, der gerecht richtet. Jesus hat seine Sache, was er an Unrecht und Unheil erfahren hat, Gott anheimgestellt, es ihm überlassen. Und Gott hat ihm Recht gegeben, ihn mit Ostern ins Recht gesetzt.
Und nun sind wir eingeladen, unsere Sache Jesus anheimzustellen, unser Unheil ihm zu übergeben, unseren Unfrieden an sein Kreuz zu geben. Wir dürfen es ihm glauben, dass er uns heil machen will, uns aus diesen Zwängen und Verstrickungen der Sünde erlösen möchte. Jesus, der gute Hirte, der sich für uns hingegeben hat. Das führt uns zum dritten, was es von dem gute Hirten zu sagen gibt:
Jesus, der Hirte meiner Seele!
Ihr wart wie irrende Schafe, jetzt aber gehört ihr zu dem Hirten und Bischof eurer Seele. Ihr seid sein Eigentum geworden, seid mit ihm verbunden.
Die Erlösung, die Christus schenkt, ist keine Operation im Sinne von: Blinddarm raus, Übel beseitigt, kann weitergehen wie bisher. Sondern die Erlösung vollzieht sich in der Beziehung zu Jesus, indem ich ihn Hirte und Bischof meiner Seele sein lasse.
Seelenpflege zu betreiben steht heutzutage hoch im Kurs. Früher war es peinlich, zum Seelenklempner zu gehen. Da hieße es, man hat einen Tick oder einen Spleen. Inzwischen haben wir verstanden, dass die Seele nicht funktioniert wie eine Maschine. Sie ist verletzlich, muss fürsorglich behandelt werden. Sie ist auch kein Teil von mir, der sich abspalten lässt, sondern ich bin ein Seelenwesen, Seele ist meine Identität. Tu deiner Seele etwas Gutes, wird heute oft angeboten, vom Kräutertee bis zur Wellnessoase ist alles dabei. Vieles davon kostet richtig viel Geld. Tue deiner Seele etwas Gutes, lass Jesus Hirte und Bischof deiner Seele sein.
Ein Seelenklempner der besonderen Art, der nicht nur den Schaden repariert wie der Klempner den Rohrbruch im Bad, der mehr ist als der Therapeut mit professionellem Auftreten.
Er ist wie ein Hirte, der dich liebt und der dich kennt und bei deinem Namen nennt. Bei ihm geht es um eine Beziehung, um Hingabe in Gegenseitigkeit: Der Hirte, der sich für mich eingesetzt und nun darauf wartet, dass ich ihm folge. Und daraus soll eine Beziehung werden, die unserer Seele richtig gut tut.
Hirte und Bischof unserer Seele will Jesus sein. Das Wort Bischof leitet sich ab von Episkopos, der die Aufsicht führt. Das klingt nach Autorität und tatsächlich beansprucht Jesus Autorität. Der Hirte sagt eben, wo es langgeht, er gibt die Richtung vor. Der Bischof achtet darauf, dass diese eingehalten wird.
Diese autoritäre Tendenz ist in der Rede vom Hirten angelegt, unbestritten. Das hat das Bild vom Hirten verdächtig gemacht, in Verruf gebracht. Ich kann darin aber auch etwas Befreiendes sehen. Ich folge lieber Jesus, als anderen Möchtegern-Führern und Verführern auf den Leim zu gehen. Ihn Hirte sein zu lassen schützt davor, in andere Abhängigkeiten zu geraten.
Der Hirtensonntag und was das Bild vom Hirten über mich und über Jesus sagt! Weil ich Jeus Schäflein bin, freu ich mich doch immerhin, über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebt und der mich kennt, und bei meinem Namen nennt.
Manchmal kommt mir das Lied aus dem Kindergottesdienst einfach so in den Sinn und dann denke ich: Bloß gut ist das so mit dem guten Hirten und mit mir.
Der Friede Gottes, der höher ist alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn
Amen
Fürbittgebet
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Du hast dich für uns hingeben, bist in den Tod gegangen,
um uns aus den Stricken der Sünde und des Todes zu erlösen.
Dafür danken wir dir, darüber loben wir dich.
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Wir sehnen uns danach, den Weg zu kennen
Und sind oft gefangen in unserer Sorge.Wir bitten dich: Zeige uns den Weg, den wir gehen sollen,
leite uns mit deinem Geist, gib uns Mut und Entschlossenheit,
deine Fußstapfen zu folgen.
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Zeig ihn denen, die uns regieren,
was gut für unser Land und diese Welt ist,
was dem Wohle aller dient,
was Gerechtigkeit und Frieden schafft.
Wehre allen die ihre Macht missbrauchen,
die andere Verführen und bedrohen.
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Du siehst die Ängste der Welt.Schau auf die Menschen, die keinen Ausweg sehen –
auf der Flucht, in Lagern, im Krieg.dass sie Schutz finden.Sei bei denen, die krank sind, du bist der Arzt, der helfen kann, erbarme dich und stärke alle, die Alte und Kranke zu pflegen haben
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Sei deiner Kirche nahe, deiner Herde, die dir nachfolgt
Gib ihren Worten Kraft, dass sie trösten kann,
zum Glauben rufen und Menschen versöhnen hilft
Sei bei deiner weltweiten Kirche, schenke du ihr Einigkeit
Steh den Geschwistern bei, die verfolgt werden,
sei unserer Partnergemeinde in Bucaramanga nahe,
segne ihre Arbeit, stärke alle, die dir dienen wollen.
Du guter Hirte, Jesus Christus.
Wir gehören zu dir,
du hast uns erkauft mit dem Einsatz deines Lebens.
Du bist der Hirte und Bischof unserer Seelen.
Das bekennen wir dir und beten dich an.
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reichund die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.