Predigt Himmelfahrt 21.05.2020 / Joh 17, 20-26
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Predigt 17.05.20 - Rogate - Mt 6,5-15
Predigttext: Johannes 17, 20-26
20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. 24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war. 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
Christen feiern heute Vatertag. Doch, sie haben richtig gehört. Wir feiern Vatertag. Für viele ist am Himmelfahrtstag Männertag, wobei manche Männer heute eher einen peinlichen Eindruck hinterlassen – leider. Wir jedoch begehen Vatertag.
Himmelfahrt heißt, Jesus ist zu seinem Vater zurückgekehrt. Aufgefahren in den Himmel, sitzt er zur Rechten Gottes, so sagen wir im Glaubensbekenntnis. Damit ist kein mysteriöses Entschweben in den Weltraum gemeint, sondern der, der aus der Welt Gottes kam, kehrt dorthin zurück. Der Sohn kehrt zum Vater zurück.
Am Vatertag denken wir an die enge Beziehung zwischen Vater und Sohn, dass Gott selbst in Christus war. Dieses Geheimnis macht seine Person aus. Die alte Kirche hat lange darum gerungen und sich gestritten, wie dieses Geheimnis der Person Jesu zu verstehen sei:
Zum einen ist Jesus ganz Mensch, Mensch wie du und ich, geboren von einer Frau, aufgewachsen in Nazareth, Handwerker von Beruf. Von Johannes dem Täufer beeinflusst, zog er als Rabbi durch das Land, predigte und heilte. Und weil den Mächtigen seine Reden missfielen, wurde er schließlich hingerichtet.
Jesus als Mensch, das ist die eine Seite seines Daseins, seine menschliche Seite. Das war er vollständig. Wahrer Mensch, wie es im Weihnachtslied heißt. Daneben und zugleich ist er auch wahrer Gott:
Er kam aus der Welt Gottes und wurde wie wir. In ihm kam Gott zur Welt und erfüllte seinen Plan zur Rettung der Welt, den Heilsplan Gottes. Himmelfahrt lässt sich allein von der göttlichen Seite Jesu her verstehen. Wer in Jesus nur den Menschen sieht, was er ja durchaus gewesen ist, aber wer ihn nur so sieht, für den ist Himmelfahrt ein mysteriöses Spektakel, dessen Botschaft einem verschlossen bleibt.
Himmelfahrt, Christen feiern Vatertag, weil der Sohn zum Vater zurückgekehrt ist, zurück in die Herrlichkeit, aus der er gekommen ist.
Wir feiern diese Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn, weil wir selbst davon mit betroffen sind, wir mit in diese Gemeinschaft hineingezogen werden. Im Predigttext spricht Jesus von dieser engen Gemeinschaft mit dem Vater. Wir haben die Worte gehört, sie werden das hohepriesterliche Gebet genannt, weil Jesus hier wie der Hohe Priester vor Gott für uns eintritt. Er bittet darum, dass wir in diese Gemeinschaft, wie er sie mit dem Vater pflegt, mit hineinfinden.
So stellt er uns vor Augen, was aus uns werden kann, wenn wir Gott als unseren Vater erkennen. Gott selbst bietet uns diese Gemeinschaft an. Es ist seine Absicht, die er durch Jesus mitgeteilt hat: Ich habe ihnen deine Herrlichkeit gezeigt, ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und deine Liebe zu ihnen gebracht.
So betet Jesus. Er hat uns Gott als den Vater nahegebracht. Wir dürfen Abba, lieber Vater zu Gott sagen, dürfen uns Kinder Gottes nennen. Und alles, was dieser Verbindung mit Gott im Weg steht, hat Jesus auf sich genommen und aus dem Weg geräumt: unseren Eigensinn und Egoismus, unsere Gottvergessenheit, unsere Schuld und Sünde.
Ich bin der Weg, auf dem ihr zum Vater findet, erklärt Jesus, diesen Weg hat er durch sein Sterben und Auferstehen für uns frei gemacht. Mit Himmelfahrt geht er uns voran, zeigt, wohin uns dieser Weg führt, in die vollendete Gemeinschaft mit Gott: Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir sind, die du mir gegeben hast. An diese zukünftige Gemeinschaft mit dem Vater werden wir heute erinnert.
Feiern Sie heute mit Vatertag? Können Sie das so mit beten: Ich danke dir Gott, dass ich zu dir gehöre. Ich bin dein Kind und freue mich darüber. Könnten Sie das so sagen? Oder entstehen da irgendwo Bedenken, Vorbehalte, baut sich da eine innere Blockade auf?
Wo entsteht diese und warum? Denken sie vielleicht: Da wird Gott zu klein, zu menschlich, zu primitiv, wenn ich so von ihm rede, der große, erhabene, allmächtige Schöpfergott. Dabei hat er sich selbst klein gemacht. Zum Kind ist er geworden, damit wir zu seinen Kindern werden. Gott hat kein Problem, sich klein zu machen.
Oder haben sie Bilder von Gott im Kopf, die es Ihnen schwer machen, sich auf den Vater einzulassen? Sind sie so erzogen worden, Gott als den großen Aufpasser zu sehen, eine Art Polizist, der nur darauf wartete, dass einer was verkehrt macht um ihm auf die Finger zu hauen?
Oder sehen sie Gott als unbewegten Beweger, wie die Philosophen gesagt haben, der sich nicht davon berühren lässt, was ich zu tragen habe, weit weg, unnahbar, fremd. Stattdessen soll er so persönlich sein, der Vater, dem ich am Herzen liege?
Oder denken sie bei Vater daran, wie sie ihren leiblichen Vater erlebt haben. Vielleicht sind das sogar Bilder, wie er am Himmelfahrtabend nachhause gekommen ist. Und so soll Gott sein? Bitte nicht, das hat mir gereicht! Mit meinem leiblichen Vater bin ich fertig.
Dabei könnte die Rede von Gott als Vater unser Bild von Vaterschaft verändern, die Rolle der Väter in ein anderes Licht stellen: So können Väter sein, so kann ich als Vater sein, auch wenn ich meinen leiblichen Vater ganz anders erlebt habe. Das muss ich nicht wiederholen.
Wenn ich weiß, wer mein Vater ist, klärt sich ferner, wer ich bin, klärt sich meine Identität: woher komme ich und wohin gehöre ich. Wer darauf eine Antwort gefunden hat, kann tatsächlich ein Fest feiern, für den ist heute ein Feiertag: Vatertag. Der feiert die Gemeinschaft mit Gott, die schon hier beginnt und im Himmel vollendet wird.
Diese Verbindung zu Gott will sich hier auf Erden auswirken und sichtbar werden, indem Menschen zu sich finden, ihre Identität entdecken: Ich bin Kind Gottes. Das ist meine Berufung, mein Status.
Und wenn mir irgendwelche Leute oder irgendwelche Dämonen einreden wollen: du bist nichts, aus dir wird nie etwas. Du bist nicht gut genug, nicht fromm genug, dann trete ich solchen Stimmen in diesem Bewusstsein gegenüber: Ich bin Kind Gottes und Gott ist mein Vater und ihr habt mir gar nichts zu sagen. Ich glaube euch nicht.
Mit Gott als Vater wird mein Verhältnis zu mir selbst ein anders und das zu den Mitmenschen, wie wir zueinander stehen und miteinander umgehen. Dreimal bittet Jesus in diesen wenigen Versen darum, dass sie alle eins werden. Das ist Jesu Anliegen, sein letzter Wille mit dem Ziel: damit die Welt es glaubt, dass Jesus von Gott gesandt wurde.
Irgendwie leuchtet das auch ein. Je näher wir zu Gott finden, je mehr wir ihn als unseren Vater entdeckt, desto näher kommen wir auch denen, die ebenso zu diesem Vater gehören, desto mehr werde ich die Menschen neben mir als meine Schwestern und Brüder begreifen, Gemeinde als Familie entdecken, die weltweite Kirche als Ökumene.
Was logisch klingt ist in der Praxis leider nicht so selbstverständlich. Sicher kennen Sie diesen Vorwurf: Die Christen sollen sich selbst erst mal einig werden, bevor sie andere bekehren wollen. Sie meinen, den einen Gott zum Vater zu haben und doch gibt es so viele Kirchen und Gruppen und Abspaltungen.
Die Kirchengeschichte ist auch eine Geschichte der Kirchenspaltung und der handfesten Auseinandersetzungen um den wahren Glauben. Immer wieder ringen wir in unserer Kirche um diese Einheit. Worin liegt sie begründet und wie lässt sich dieses Einssein leben, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind?
Jesus bindet dieses Einssein an die Beziehung zu ihm und damit wiederum an die Gottesbeziehung. Diese Einheit ist für Jesus keine von oben verordnete Vereinheitlichung, kein Einheitsprogramm, nach dem sich alle zu richten haben, ob sie wollen oder nicht.
Sondern das sie alle eins sind, hängt an anderen Bedingungen. Das wächst von innen: Ich habe ihnen meine Herrlichkeit gegeben. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen. Ich in ihnen! Die Liebe, mit der du mich geliebt hast, soll in ihnen sein.
Der Weg zu dieser Einheit heißt Christus in mir erkennen, Gottes Liebe erfahren, sich seinem Geist aussetzen, ihm in mir Raum geben. Das ist sein Werk, aber das passiert nicht ohne uns und schon gar nicht gegen uns. Dafür muss ich mich öffnen und dazu bereit sein.
Was aber, wenn wir dann dennoch unterschiedlicher Meinung sind, nicht nur zwischen verschiedenen Kirchen und Konfessionen, sondern auch innerhalb der Gemeinden? Was, wenn ich von meiner Wahrheit überzeugt bin und dann zwangsläufig mit denen, die anderes für richtig halten, nicht mehr eins bin?
Ich meine zu wissen, was Gott möchte, aber der andere sieht das anders und nun verhindert er nach meiner Ansicht das Vorwärtskommen. Er müsste sich ändern, denke ich und ich weiß zugleich, dass ich ihn nicht ändern kann. Wie also damit umgehen, wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind? Gib es die versöhnte Vielfalt, von der in der Ökumene gesprochen wird?
Da hilft es sich bewusst zu machen, dass wir den einen Gott zum Vater haben und wir von der einen Gnade leben, die er uns in Jesus Christus schenkt. Die Gemeinde ist sein Werk und seine Gnade verteile nicht ich, sondern er.
Diese Einigkeit, von der Jesus spricht, kann weder verordnet noch gefordert werden, sondern nur wachsen durch Erkenntnis, durch eigene Erfahrung, dadurch, dass sich jemand von Gott führen lässt. Dann kann ich von meinen Überzeugungen nur so reden, dass es dem anderen mit zur Erkenntnis wird, also einladend, freundlich, ihm die Chance geben, sich zu entscheiden und seine Erfahrung zu machen.
So, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist, nicht vom Gesetz geprägt, sondern von der Liebe; nicht vereinnahmend, wohl aber bestimmt und liebevoll werbend in einer Absicht, die andere zu gewinnen sucht.
Und es bleibt ein Gebetsanliegen, so wie Jesus es zu seinem Gebetsanliegen gemacht hat. Ich bitte, das sie alle eines seien und die Welt glaube. Uneinigkeit lähmt unsere missionarische Wirksamkeit, es nimmt Kräfte in Anspruch, die an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen wären, es macht unser Zeugnis fragwürdig. Und was Jesus ein Gebetsanliegen gewesen ist, muss auch uns eins sein.
Himmelfahrt als Vatertag feiern! Wir sind eingeladen, über die Einheit von Vater und Sohn nachzudenken und zu entdecken, dass wir mit in diese Gemeinschaft hineingerufen sind. Das ist wirklich ein Grund zum feiern. Vatertag feiern am heutigen Himmelfahrtstag und da dürfen natürlich auch die Frauen und Kinder mitfeiern, weil Gott auch ihr Vater ist.
Amen.